Wo gehobelt wird, da fallen Späne, sagt der Volksmund und
selten ist des Volkes Stimme so treffgenau, wie in diesem Fall, denn sowohl im
übertragenen als auch im direkten Kontext ist diese Aussage häufig und völlig
korrekt anwendbar.
Denn auch in der bildenden Kunst findet dieser Spruch seine
Richtigkeit. Es geht dabei nicht so sehr um die wirklichen Abfälle künstlerischer Tätigkeit, die tatsächlichen "Späne" also, denn diese
werden nicht mehr benötigt und entsprechend entsorgt. Vielmehr geht es um die
Produkte künstlerischen Schaffens, welche begonnen aber nicht fertiggestellt
wurden, sei es aus Gründen eines (vorübergehenden) Inspirationsmangels oder der
Künstler hat das Werk komplett verworfen, will es aber nicht entsorgen, weil
das Material oder ganze Teile des Werkes in einem neuen Kontext Verwendung finden sollen. In beiden Fällen
stellt sich zum einen die philosophische Frage, ob es sich bei einem
unvollendeten Werk bereits um Kunst handelt und – wenn ja – ab welchen Zeitpunkt
der Bearbeitung ein Werk zur Kunst wird, zum anderen stellt sich die weitere
Frage nach dem Wohin. Die erste Frage möge an dieser Stelle unbeantwortet
bleiben und sei dem geneigten Leser Anlass zur eigenen Reflektion. Der zweiten
Frage, nach dem Wohin, muss sich jeder Künstler selbst stellen, denn für so
manchen Künstler mit einem Atelier in einer Großstadt mag der Bedarf an
geeigneter Lagerfläche durchaus ein Problem darstellen.
Großzügig ausgestattet sind in diesem Zusammenhang die Studierenden
der Kunstakademie Nürnberg. An den Rückseiten der Ateliers ist genügend Platz,
um Unvollendetes, Verworfenes und sonstige Materialien zu stapeln. Auch findet
man Schuppen, welche ebenfalls zu diesem Zweck genutzt werden können. Des
Weiteren ist das gesamte Gelände groß genug, um sich einen zusätzlichen
Arbeitsplatz im Freien zu schaffen oder das ein oder andere Werk der Natur und
ihren Prozessen zu überlassen. BeeJay Art Projects hat einen Besuch der
Akademie anlässlich der AbsolventINNEN Ausstellung genutzt, um sich nicht nur
die offiziellen Werke der Studierenden anzusehen, sondern auch, um einmal über
das Gelände, abseits der üblichen Besucherwege, zu streifen. Gefunden wurde Unvollendetes,
Verworfenes, vermeintlich Fertiges, nicht mehr Benötigtes und
Zwischengelagertes, entweder ordentlich gestapelt oder zufällig herum liegend. Das
Konvolut wirkte in seiner Zufälligkeit teilweise poetisch und bot dem offenen
Geist aufgrund der unklaren Intension des einzelnen Objektes in seiner
Gesamtheit einen schier unendlichen Freiraum für Assoziation und Inspiration.
Und nun ist BeeJay Art Projects doch wieder bei der obigen philosophischen
Frage angelangt, ab welchen Bearbeitungsstand das Werk eines Künstlers denn
tatsächlich Kunst ist. Die Antwort scheint zu heißen, dass es keinen spezifischen
Zeitpunkt gibt, denn schon das pure Herumliegenlassen eines Objektes durch
einen Künstler kann dieses Objekt zur Kunst oder zum Teil eines Kunstwerkes
machen.
Wenn nun der geneigte Leser fragt, was denn eigentlich mit
der nur kurz erwähnten AbsolventINNEN Ausstellung war und warum denn nichts
dazu an dieser Stelle zu lesen ist, so sei nur so viel gesagt, dass sich auch
in dieser Hinsicht der Besuch in Nürnberg durchaus gelohnt hat, jedoch ansonsten
auf zukünftige Blogs verwiesen wird.