BeeJay
Art Projects konnte sich zurück lehnen, denn diesmal war "Kurator-Kollege"
Udo Benker-Wienands an der Reihe zu kuratieren und BeeJay Art Projects beschränkte
sich darauf, mit großem Genuss eine Ausstellung zu besuchen, welche in vieler
Hinsicht als hochinteressant und mehr als gelungen bezeichnet werden kann.
Ernst
Neukamp, 1937 in Hof geboren, lebte die längste Zeit seines künstlerischen
Lebens in München und Oberammergau. Sein künstlerisches Wirken war fast
ausschließlich von der Beschäftigung mit der Natur geprägt. Er arbeitete als
Fotograf, Filmemacher, Graphiker und Zeichner, wobei seine Arbeiten immer in geschlossenen
Serien zusammengefasst werden können. Ernst Neukamp starb 2006.
Ende
der 70er zog es ihn eine Zeit lang zurück in die Hofer Gegend, um sich mit
seiner Heimat künstlerisch auseinanderzusetzen. Er mietete sich in
Pilgramsreuth ein und war – wie BeeJay Art Projects am Nörgeleck* erfuhr – in
dieser Zeit als streitlustiger Galeriehausbesucher bekannt und berüchtigt. Es entstanden
diverse Fotobücher und einige Serien von Zeichnungen, welche 1981 in einer Ausstellung
mit dem Titel "Heimat?" auf der Feste Coburg gezeigt wurden.
Eine der
Serien aus dieser Zeit waren die sog. ABC-Zeichnungen, in welchen sich Neukamp
ebenfalls mit der heimischen Landschaft auseinandersetzte und einen Bezug zu
seinem Seelenverwandten Jean Paul herstellte. Die Zeichnungen sind mit Zitaten
von Jean Paul untertitelt und sind nicht, wie sonst üblich, durchnummeriert
sondern mit Buchstaben versehen, um dem schriftstellerischen Bezug Rechnung zu
tragen. Der jeweilige Buchstabe dient jedoch in diesem Fall nicht nur der
Katalogisierung, sondern ist Bestandteil der Gesamtkomposition des Bildes.
Anlässlich
des Jean Paul Jahres zeigt das Galeriehaus einen Teil dieser ABC-Zeichnungen.
Sie sind Leihgaben aus einer Privatsammlung und des Kunstmuseums Erlangen,
welches den künstlerischen Nachlass Neukamps betreut.
Die
Bilder sind geprägt von einer geometrischen Aufteilung und collagenhafter
Zusammensetzung verschiedener teilweise fotorealistischer Bildelemente. Obwohl
gezeichnet wirken die Bilder graphisch – kein Zeichenstrich ist erkennbar. Dies
ist einer speziellen, vom Künstler selbst entwickelten, Zeichentechnik geschuldet
(s.u.). Große Teile der Bilder bleiben unbemalt; das Weiß des jungfräulichen Papierbogens
fokussiert den Blick auf die bemalten Teile, die Bezug nehmen sowohl auf Jean
Paul als auch auf die heimatliche Landschaft. Vermeintlich Autobiographisches
lässt sich ausmachen, Vieles gibt Raum für Assoziationen, jedoch wird in allen
Bildern die Poesie der Jean Paul Zitate uneingeschränkt in der Bildsprache
beibehalten. War nicht der nackte Frauenkörper, der Mutterleib, die Brust an
der wir einst saugten unsere erste Heimat?
Die
Vernissage – entgegen der sonstigen Überzeugung des Galeristen Werner Weinelt
und als " Zugeständnis an das Establishment", wie Weinelt bekannte,
fand am 5.12. eine Vernissage mit offiziellen Reden und vielen Besuchern statt
– war begleitet von einer Darbietung des Schauspielers Peter Kampschulte, der
als Jean Paul auftrat, um die Bilder angemessen zu kommentieren, und einer
Vorführung des Films Heimat? von Anka Kirchner, einer Filmemacherin und partiellen
Wegbegleiterin Neukamps, die auch selbst anwesend war.
(Bild folgt)
Postskriptum
zur Zeichentechnik:
Obwohl
sich BeeJay Art Projects häufig dem Vorwurf allzu schnellen Vergessens
ausgesetzt sieht, scheint in Bezug auf die Kunst – auf das Wichtige im Leben
also – das Gedächtnis noch sehr gut zu funktionieren. Da eine Internetrecherche
bezüglich der Zeichentechnik von Ernst Neukamp ergebnislos blieb, konnte BeeJay
Art Projects auf eben dieses gute (und hoffentlich korrekte) Kunst-Gedächtnis
zurückgreifen und meint sich zu erinnern, anlässlich der oben erwähnten, 1981
stattgefundenen Ausstellung auf der Feste Coburg (BeeJay Art Projects war da!),
gelesen zu haben, dass Neukamp diese Technik mittels eines selbst entwickelten Apparates
realisierte. Eine Vorrichtung, in die der Blei- oder Buntstift eingespannt und
durch eine Mechanik sehr schnell auf und nieder bewegt wurde. Mittels dieser
Vorrichtung wurde dann gezeichnet, so dass jeder gezogene Strich in einzelne
Punkte zerlegt wurde. Divisionstechnik nannte Neukamp diese Art des Zeichnens,
deren durchaus erstaunliches Ergebnis in seinen Bildern zu bewundern ist.
BeeJay
Art Projects ist in der Regel kein Freund technischer Perfektion in der Kunst.
Die Technik ist dazu da, die eigentliche Kunst zu vermitteln, darf jedoch nie
zum Selbstzweck werden (nach Überzeugung von BeeJay Art Projects ist das ideale
Kunstwerk das, welches überhaupt keiner Technik bedarf – dieser Ausflug in die
Kunstphilosophie sei jedoch an dieser Stelle nicht weiter gesponnen). Leider
arbeitet aber so mancher Künstler an der Perfektionierung seiner Technik um das
Fehlen des Künstlerischen zu verbergen. Auch der ungeübte Kunstbetrachter neigt
dazu, ein Werk nach der Beherrschung der Technik oder - noch schlimmer - nach
dem geschätzten Arbeitsaufwand zu beurteilen. Im Falle der Zeichnungen von
Ernst Neukamp ist die gegebene perfekte Ausführung jedoch unumgänglich und als Fortführung
seiner Fotografien zu verstehen.
*für
Uneingeweihte: das "Nörgeleck" ist die Bar des Galeriehauses
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