Innovative Kunst- und Ausstellungsprojekte

Dienstag, 10. Dezember 2013

A Walk Through ....

Ernst Neukamp im Galeriehaus Hof

 
BeeJay Art Projects konnte sich zurück lehnen, denn diesmal war "Kurator-Kollege" Udo Benker-Wienands an der Reihe zu kuratieren und BeeJay Art Projects beschränkte sich darauf, mit großem Genuss eine Ausstellung zu besuchen, welche in vieler Hinsicht als hochinteressant und mehr als gelungen bezeichnet werden kann.
 
Ernst Neukamp, 1937 in Hof geboren, lebte die längste Zeit seines künstlerischen Lebens in München und Oberammergau. Sein künstlerisches Wirken war fast ausschließlich von der Beschäftigung mit der Natur geprägt. Er arbeitete als Fotograf, Filmemacher, Graphiker und Zeichner, wobei seine Arbeiten immer in geschlossenen Serien zusammengefasst werden können. Ernst Neukamp starb 2006.
 
Ende der 70er zog es ihn eine Zeit lang zurück in die Hofer Gegend, um sich mit seiner Heimat künstlerisch auseinanderzusetzen. Er mietete sich in Pilgramsreuth ein und war – wie BeeJay Art Projects am Nörgeleck* erfuhr – in dieser Zeit als streitlustiger Galeriehausbesucher bekannt und berüchtigt. Es entstanden diverse Fotobücher und einige Serien von Zeichnungen, welche 1981 in einer Ausstellung mit dem Titel "Heimat?" auf der Feste Coburg gezeigt wurden.
 
Eine der Serien aus dieser Zeit waren die sog. ABC-Zeichnungen, in welchen sich Neukamp ebenfalls mit der heimischen Landschaft auseinandersetzte und einen Bezug zu seinem Seelenverwandten Jean Paul herstellte. Die Zeichnungen sind mit Zitaten von Jean Paul untertitelt und sind nicht, wie sonst üblich, durchnummeriert sondern mit Buchstaben versehen, um dem schriftstellerischen Bezug Rechnung zu tragen. Der jeweilige Buchstabe dient jedoch in diesem Fall nicht nur der Katalogisierung, sondern ist Bestandteil der Gesamtkomposition des Bildes.
 
Anlässlich des Jean Paul Jahres zeigt das Galeriehaus einen Teil dieser ABC-Zeichnungen. Sie sind Leihgaben aus einer Privatsammlung und des Kunstmuseums Erlangen, welches den künstlerischen Nachlass Neukamps betreut.
 
Die Bilder sind geprägt von einer geometrischen Aufteilung und collagenhafter Zusammensetzung verschiedener teilweise fotorealistischer Bildelemente. Obwohl gezeichnet wirken die Bilder graphisch – kein Zeichenstrich ist erkennbar. Dies ist einer speziellen, vom Künstler selbst entwickelten, Zeichentechnik geschuldet (s.u.). Große Teile der Bilder bleiben unbemalt; das Weiß des jungfräulichen Papierbogens fokussiert den Blick auf die bemalten Teile, die Bezug nehmen sowohl auf Jean Paul als auch auf die heimatliche Landschaft. Vermeintlich Autobiographisches lässt sich ausmachen, Vieles gibt Raum für Assoziationen, jedoch wird in allen Bildern die Poesie der Jean Paul Zitate uneingeschränkt in der Bildsprache beibehalten. War nicht der nackte Frauenkörper, der Mutterleib, die Brust an der wir einst saugten unsere erste Heimat?
 
Die Vernissage – entgegen der sonstigen Überzeugung des Galeristen Werner Weinelt und als " Zugeständnis an das Establishment", wie Weinelt bekannte, fand am 5.12. eine Vernissage mit offiziellen Reden und vielen Besuchern statt – war begleitet von einer Darbietung des Schauspielers Peter Kampschulte, der als Jean Paul auftrat, um die Bilder angemessen zu kommentieren, und einer Vorführung des Films Heimat? von Anka Kirchner, einer Filmemacherin und partiellen Wegbegleiterin Neukamps, die auch selbst anwesend war. 

(Bild folgt)
 
 
Postskriptum zur Zeichentechnik:
 
Obwohl sich BeeJay Art Projects häufig dem Vorwurf allzu schnellen Vergessens ausgesetzt sieht, scheint in Bezug auf die Kunst – auf das Wichtige im Leben also – das Gedächtnis noch sehr gut zu funktionieren. Da eine Internetrecherche bezüglich der Zeichentechnik von Ernst Neukamp ergebnislos blieb, konnte BeeJay Art Projects auf eben dieses gute (und hoffentlich korrekte) Kunst-Gedächtnis zurückgreifen und meint sich zu erinnern, anlässlich der oben erwähnten, 1981 stattgefundenen Ausstellung auf der Feste Coburg (BeeJay Art Projects war da!), gelesen zu haben, dass Neukamp diese Technik mittels eines selbst entwickelten Apparates realisierte. Eine Vorrichtung, in die der Blei- oder Buntstift eingespannt und durch eine Mechanik sehr schnell auf und nieder bewegt wurde. Mittels dieser Vorrichtung wurde dann gezeichnet, so dass jeder gezogene Strich in einzelne Punkte zerlegt wurde. Divisionstechnik nannte Neukamp diese Art des Zeichnens, deren durchaus erstaunliches Ergebnis in seinen Bildern zu bewundern ist.
 
BeeJay Art Projects ist in der Regel kein Freund technischer Perfektion in der Kunst. Die Technik ist dazu da, die eigentliche Kunst zu vermitteln, darf jedoch nie zum Selbstzweck werden (nach Überzeugung von BeeJay Art Projects ist das ideale Kunstwerk das, welches überhaupt keiner Technik bedarf – dieser Ausflug in die Kunstphilosophie sei jedoch an dieser Stelle nicht weiter gesponnen). Leider arbeitet aber so mancher Künstler an der Perfektionierung seiner Technik um das Fehlen des Künstlerischen zu verbergen. Auch der ungeübte Kunstbetrachter neigt dazu, ein Werk nach der Beherrschung der Technik oder - noch schlimmer - nach dem geschätzten Arbeitsaufwand zu beurteilen. Im Falle der Zeichnungen von Ernst Neukamp ist die gegebene perfekte Ausführung jedoch unumgänglich und als Fortführung seiner Fotografien zu verstehen.

 
 
*für Uneingeweihte: das "Nörgeleck" ist die Bar des Galeriehauses

 

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