Innovative Kunst- und Ausstellungsprojekte

Montag, 1. Oktober 2012

Über Kuratoren, die Documenta und eine stille Hoffnung


Wieder einmal ging eine Documenta zu Ende und wieder einmal ließ es sich BeeJay Art Projects nicht nehmen als Besucher dabei zu sein. Wie bei allen bisher besuchten Documenten vorher, war BeeJay Art Projects durchaus angetan von so manchem Gezeigten, wenngleich sich eine stille Hoffnung wieder einmal nicht erfüllte.

Die ersten Documenten waren geplant als Überblick über die zur damaligen Zeit aktuelle Kunst. Arnold Bode nutzte die aller erste Documenta, welche 1955 noch anlässlich der Bundesgartenschau konzipiert und veranstaltet wurde, um den Schwerpunkt auf die Kunst zu legen, die 10 Jahre zuvor noch als "entartet" bezeichnet wurde, dementsprechend nur wenigen zugänglich und noch immer hoch aktuell war. Die zweite Documenta, ebenfalls noch unter Bode, stand im Zeichen des Informel, ebenfalls einer zum damaligen Zeitpunkt aktuellen Strömung. Bei der Documenta IV wurden nur Werke zugelassen, welche nicht älter als 4 Jahre waren (die Auswahl traf ein 23-köpfiger Rat in demokratischer Abstimmung). Die ersten Documenten fühlten sich also der jeweils aktuellen Kunst verpflichtet. Die grundsätzliche Richtung gab die Kunst vor, die jeweiligen Kuratoren brachten sich ein, indem sie eine nach ihrer Meinung repräsentative Auswahl trafen.

Die Zeiten haben sich seitdem geändert. Aus einer damals noch relativ leicht überschaubaren Kunstszene haben sich weltweit vielfältige Strömungen entwickelt mit den verschiedensten künstlerischen Intensionen. Aus den Kuratoren wurden Eventmanager, die sich mit der jeweils kuratierten Ausstellung für den nächsten Job empfehlen wollen (oder meinen, sich empfehlen zu müssen). Für die Documenta hieß das, dass sie sich von der Überblickschau über die jeweils aktuelle Kunst zu einer kuratierten Konzeptschau entwickelt hat, in welcher der Kurator die Künstler und deren Werke nicht mehr nach Aktualität und Innovationsgehalt auswählt sondern nach Konformität zu seinem jeweiligen Konzept. Zweifelhaften Höhepunkt erfuhr diese Entwicklung nach Meinung von BeeJay Art Projects 2007 in der documenta 12, in welcher Kunst und Künstler nur noch eine untergeordnete Rolle in einer (Selbst-)Inszenierung des äußerst extrovertierten Kuratorenpärchens spielten. Die gezeigte Kunst stammte vorwiegend aus den 60er und 70er Jahren.

BeeJay Art Projects möchte keineswegs den Eindruck eines Kuratorenhassers erwecken und solchen Veranstaltungen die Existenzberechtigung absprechen. Auch diese haben ihren besonderen Reiz, da der Bedeutung des jeweils einzelnen Kunstwerkes ein zusätzlicher Aspekt hinzu gefügt wird, welcher sich nur im Kontext zu den anderen Werken bzw. zum Konzept erschließt. Jedoch für die Documenta würde sich BeeJay Art Projects (und damit wären wir wieder bei der oben genannten stillen Hoffnung) zumindest eine Abteilung wünschen, in welcher in konzentrierter Form neue künstlerische Entwicklungen und Tendenzen aus aller Welt gezeigt werden. Die Kuration würde sich in diesem Fall auf die nicht minder anspruchsvolle Tätigkeit einer repräsentativen Auswahl und sinnvollen Hängung beschränken. BeeJay Art Projects würde gerne mit staunenden Augen vor einem Sammelsurium von Werken stehen, welche die unterschiedlichsten Strömungen darstellen und Türen in neue Kunstwelten öffnen – auch wenn die Strömung so neu ist, dass sich hinter der Tür noch gar nichts weiter befindet (BeeJay Art Projects glaubt an die Evolution der Kunst). Für die andern Abteilungen würde BeeJay Art Projects dem jeweiligen Kurator dann zugestehen, sich seinem Konzept entsprechend "auszutoben".

Die vergangene Documenta XIII empfand BeeJay Art Projects – trotz der markigen Worte der Kuratorin im Vorfeld (Wahlrecht für Hunde etc.) – hinsichtlich der Kuration als akzeptabel. Gerade durch die Weitläufigkeit, speziell in der Karlsaue und in den anderen Außenbereichen, hatten die einzelnen Kunstwerke genügend Raum, um sich als solitäre Arbeiten dem Betrachter mitzuteilen und der Betrachter wiederum hatte genügend Zeit zur Reflektion auf seinem Weg zwischen den jeweiligen Werken. Das Fridericianum empfand BeeJay Art Projects als überkuratiert. Völlig unverständlich war für BeeJay Art Projects die Aussage der Kuratorin, dass sie nicht wisse, ob es sich denn bei manchen Werken um Kunst handele. Wollte sie bereits im Vorfeld eventuellen Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen? Oder sollte es nur eine gezielte Provokation sein wie das "Wahlrecht für Hunde"? Wie auch immer, auf einer Kunstausstellung erwartet BeeJay Art Projects Kunst zu sehen und die Kuratorin selbst sollte am meisten überzeugt davon sein, dass es sich um Kunst handelt. Die Aussage, es handele sich um keine Kunst hat der Kuratorin sicherlich viel Zustimmung – wenngleich aus der völlig falschen Ecke – eingebracht.

Auch auf die nächste Documenta wird BeeJay Art Projects mit seiner stillen Hoffnung im Gebäck gehen, wird viele gute Kunst sehen, wird sich durch neue Eindrücke und Aspekte inspirieren lassen, wird jedoch seine stille Hoffnung wieder einmal nicht erfüllt sehen. BeeJay Art Projects bleibt realistisch.

Ein Postskriptum sei noch erlaubt. Keine Fahrt nach Kassel vergeht für BeeJay Art Projects ohne den Besuch der "Hall Of Fame" in der Giesenallee. Die Autbahnbrücke über das Fuldatal hat zahlreiche sehr breite Brückenpfeiler, welche unkuratiert, nur dem Ehrenkodex der Sprayer folgend, in unregelmäßigen Abständen mit Graffiti besprüht werden. Dies ist nicht nur sehenswert und inspirierend sondern auch noch legal. Es gäbe viele Geschichten über die Giesenallee und ihre Szene zu erzählen, speziell als sie 2002 versuchte, Teil der damaligen Documenta zu werden. Natürlich scheiterte dieser Versuch – vermutlich am Konzept des Kurators.

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